Jacques de Lalaing und das „historische Fresko“ des Belgischen Senats

Über „Belgien, das die Monarchie begründet“...

Im November 1849 versammelten sich die Senatoren zum ersten Mal in ihrem neuen „Beratungssaal“. Dieser Saal war nicht ganz fertiggestellt: Zwar wurde das belgische Wappen in die Täfelung hinten an der Präsidententribüne eingearbeitet und die Büsten von Leopold I. und Louise-Marie wurden in den Nischen links und rechts angebracht, aber die Kuppel (mit dem Monogramm von Leopold I. und Louise-Marie sowie den Wappen der Provinzen verziert) wurdet noch nicht koloriert. Im Sitzungssaal wurden an den Wänden große Leinwände gespannt, um die fehlende Wandtäfelung auszugleichen.

Radierung - Ansicht des Sitzungssaals des Senats - 1853
Radierung aus Illustrated London News, 16. April 1853, Ansicht des Sitzungssaals des Senats während der Eidesleistung des zukünftigen Königs Leopold II. als Senator, am 9. April 1853.

Vorn, hinter dem Rednerpult des Präsidenten, wurde Platz für drei Gemälde geschaffen.

Im September 1853 füllt ein großes allegorisches Gemälde mit dem Titel „La Belgique fondant la monarchie“ („Belgien begründet die Monarchie“) oder manchmal das Gemälde „Les Provinces Belges“ („Die belgischen Provinzen“) die zentrale Stelle.[ 1 ] Darüber ist wenig bekannt. Es handelte sich um ein großes allegorisches Gemälde mit der Darstellung „Belgiens, umgeben von Personifizierungen der Provinzen oder der großen Städte des Landes, die das Symbol der Industrie oder des Handels tragen, die es auszeichnen“.[ 2 ]

Obwohl die Senatoren 1848 Edouard de Biefve (1808–1882) mit diesem Gemälde beauftragt hatten, waren sie offensichtlich etwas enttäuscht... Eine kritische Stimme gab Folgendes zu bedenken: „Jamais peinture ne fut plus glacialement officielle“ („Nie zuvor war Malerei so eiskalt offiziell“)![ 3 ] Als der Maler einige Jahre später anbot, auch die Gemälde für die beiden anderen noch leeren Stellen zu liefern, und der Minister des Innern darauf zurückkam, wurde sein Angebot höflich abgelehnt: „Herr de Biefve hat mit diesem Werk nicht so geglänzt wie mit den meisten seiner anderen Arbeiten“. Und da die Ausgaben aus dem Haushalt des Senats finanziert werden, befindet nunmehr der Senat darüber, welcher Künstler seinen Sitzungssaal schmücken darf.[ 4 ]

Sitzung des belgischen Senats im Jahr 1869
Radierung des Belgischen Senats während einer Sitzung im Jahr 1869, abgebildet in Le Monde Illustré vom 15. März 1869 [Paris], signiert mit Godefroy Durand, wohingegen die Skizze M. Von Elliot zugeordnet wird. Das Gemälde von de Biefve ist gut zu erkennen.

In der Zwischenzeit hatte Louis Gallait die Galerie der historischen „Porträts“ des Sitzungssaals verwirklicht. Diese Gemälde wurden um 1878–1879 an den in der Mahagonitäfelung vorgesehenen Stellen angebracht, die ab Sommer 1864 angelegt worden waren.

Sitzungssaal des Senats mit seiner Porträtgalerie
Der Sitzungssaal des Senats mit seiner Porträtgalerie. © Foto Belgischer Senat.

Die Senatoren, die überaus erfreut und begeistert über die Aufnahme der Porträts der historischen Persönlichkeiten waren (obwohl der Maler für ihre Anfertigung fast 16 Jahre gebraucht und ihre Geduld weitgehend erschöpft hatte!), baten Gallait, auch Porträts von Leopold I. und Louise-Marie sowie von Leopold II. und Marie-Henriette zu erstellen. Die Idee bestand darin, dass diese Porträts die frei gebliebenen Stellen über der Pressetribüne zu beiden Seiten des Rednerpults des Präsidenten und des Gemäldes von Edouard de Biefve füllen sollten.

Bei ihrer Vorstellung im Jahr 1882 lösten die Skizzen Begeisterungsstürme aus. Louis Gallait verstarb jedoch im November 1887 inmitten seiner Arbeit: Die Porträts von Leopold I. und Louise-Marie waren vollendet, das von Marie-Henriette war in Bearbeitung, aber das Porträt von Leopold II. hatte er noch nicht einmal angefangen. Es scheint, dass der Künstler auch Skizzen für den mittleren Teil angefertigt hatte, für den er eine Allegorie der Vereidigung Leopolds I. dargestellt haben soll.

Die Gemälde von Leopold I. und Louise-Marie zierten von 1887 bis 1896 die große Wand des Beratungssaals des Senats, aber bis heute konnte davon keine Abbildung gefunden werden.[ 5 ] Vielleicht ist dies kein Zufall: Der Kontrast, ja sogar der offenkundige Mangel an Harmonie mit dem Gemälde von de Biefves musste den Augen weh tun...

Zum „Fresko“ von Jacques de Lalaing

Nichtsdestotrotz wandte sich Graf Charles de Mérode Westerloo, Präsident des Senats, am 18. März 1890 in einem Schreiben an den Kunstmaler Graf Jacques de Lalaing, um ihn mit der Aufgabe zu betrauen, „die Dekoration des Sitzungssaals, die durch den Tod von Herrn Gallait unvollendet geblieben war, fertigzustellen“, wobei er argumentierte, dass „die Versammlung zu der Erkenntnis gekommen war, dass niemand besser als Sie geeignet ist, das Werk des bedeutenden Künstlers fortzuführen“.[ 6 ]

Jacques de Lalaing
Jacques de Lalaing - CC BY-SA 4.0

Jacques de Lalaing (1858–1917), „Edelmann und Künstler“,[ 7 ] kommt dem Senat in der Tat gut gelegen.

Der Maler wurde ab 1875 im Atelier von Jean-François Portaels ausgebildet, aber er begegnete auch Alfred Cluysenaar und insbesondere Louis Gallait. Er war stärker von der Linie, der Form und dem Volumen als von den Farben begeistert und erlernte ab 1884 bei Thomas Vinçotte auch das Bildhauerhandwerk.

Seine ersten Gemälde sind Historienbilder, er widmete sich jedoch auch der Porträtmalerei. Porträts der feinen Gesellschaft, in der er (als Maler und als Mitglied) häufig verkehrte, darunter auch Senatoren und ihre Damen. Unter ihnen fand sich 1897 auch Madame de Favereau, während ihr Ehemann, der spätere Präsident des Senats, in der Abgeordnetenkammer tagte. 1899 erstellte er zudem das Porträt von Nathalie de Mérode-Westerloo, der Gattin des Grafen Henri de Mérode-Westerloo. Als Letztgenannter wie sein Vater Charles Präsident des Senats wurde, bat er de Lalaing, sein Porträt in Amtskleidung (1905 fertiggestellt) zu malen. Auch das Porträt von Senator Georges Dupret aus dem Jahr 1907 kan erwähnt werden.[ 8 ]

Während seiner gesamten Karriere ist er aufgrund zahlreicher offizieller Anfragen und Aufträge sehr beansprucht. Manche mögen ihn, da er „alles andere als ein rebellischer Künstler ist und klassische und feierliche Formen übernimmt, die auf eine gewisse ästhetische Beständigkeit hindeuten, sodass sein Werk eine Kontinuität aufweist, die dazu beiträgt, dass die Erinnerung wieder aufleben und eine historische Identität gefestigt werden kann“.[ 9 ] Er konnte das auf den Punkt bringen, worum die Senatoren sich in ihrem Sitzungssaal bemühen...

Zudem verfügt Jacques de Lalaing über ein gewisses persönliches Vermögen und ist daher weder ein Künstler „in Not“ – wie manche seiner Zeitgenossen – noch verpflichtet, von seiner Kunst zu leben. Aus dem Archiv des Senats geht hervor, dass man sich bei ihm vor dem Auftrag für das große Gemälde für den Sitzungssaal nach seinem „Tarif“ erkundigt habe. De Lalaing antwortete darauf Folgendermaßen: „Ihre Frage heute Morgen hat mich genauso in Verlegenheit gebracht wie damals, als der Bürgermeister von Brüssel mich bat, die Kosten der Arbeit zu veranschlagen, die ich im Rathaus ausführen sollte. Ich werde Ihnen wie ihm antworten, dass ich keinerlei Bewertungsgrundlage habe, sodass die Zahl, die ich angeben würde, willkürlich wäre, dass ich mir diesbezüglich so vorkomme, wie jemand, der das Fell eines Bären verkauft, während dieser noch herumläuft. Ich beziehe mich daher auf die Schätzung der Quästur oder des Experten, den diese Herren möglicherweise benennen möchten, indem ich mich verpflichte, den Beschluss, der daraus hervorgehen wird, anzunehmen“.[ 10 ] Ein Brief der Stadt Brüssel teilt den Senatoren mit, dass der Graf für die Gemälde des Rathauses „700 Franken pro Quadratmeter“ erhalten wird! Genau dieses Vergütungssystem wird der Senat annehmen... Es entspricht eher dem der Anstreicher als dem der Kunstmaler... Dies dürfte ihm wohl kaum finanzielle Schwierigkeiten bereiten!

Die Senatoren betrachten Jacques de Lalaing als einen überaus kultivierten Mann und überlassen ihm die anfängliche Wahl des Programms für historische Gemälde. Als Bildhauer erkennt er sofort das fließende und dynamische Ganze, das er anbieten könnte: „In einer Reihe von unterschiedlichen, aber dennoch durch Grundlinien verbundenen Gruppen möchte ich auf der Oberfläche der drei Tafeln die verschiedenen Phasen der Geschichte unseres Landes darstellen, die nicht nach Herrschaften, sondern nach Epochen und Einflüssen unterteilt sind. Mit einem Wort, ich möchte die politischen Wellen wiedergeben, die nach und nach über Belgien niedergingen“.

Brief von Jacques de Lalaing an einen Senator
Brief von Jacques de Lalaing an einen Senator, vielleicht Edmond Willems, nicht datiert (1890). Archiv des Senats, Dossier „de Lalaing“.

Als Maler aber sucht er in dieser Abfolge das „Malerische“, die „typischen Episoden des Augenblicks, die sich bildlich veranschaulichen ließen“. Er behauptet das Gegenteil von de Biefve und erklärt: „Die Geschichte philosophisch zu deuten, ist allein die Aufgabe der Literatur. Die Malerei muss vor allen Dingen malerisch sein. Die Historienmalerei ist oft langweilig, da sie versucht, in der Malerei die feierlichen und bedeutenden Akte zum Ausdruck zu bringen, die zweifellos wichtig sind, aber eine durchweg moralische Bedeutung haben und dem Auge nichts bieten, wie die Unterzeichnung eines Vertrages oder die Bewilligung eines feierlichen Einzugs.“

Ab diesem Zeitpunkt entschied er sich dafür, tragische Momente in der Geschichte unseres Landes malerisch festzuhalten: „Ich verspüre das Bedürfnis, mich dafür zu entschuldigen, dass ich viel mehr die schmerzhaften Seiten unserer Geschichte beleuchtet habe und will dies als Begründung meiner Entscheidung festhalten: Momente des Wohlstands sind nicht von bildnerischem Interesse, Malerei kann nur eine Krise wiedergeben und keinen Zustand; schließlich bin ich der Ansicht, dass ich aus dem wohlbekannten Sprichwort „Glücklich das Volk, dessen Geschichte sich langweilig liest“, ableiten kann, dass die glücklichen Phasen des belgischen Volkes genauso langweilig zu malen wie zu schreiben wären“.[ 11 ]

De Lalaing schlug vor, von allem, was er sich vorstellt, Pastellzeichnungen anzufertigen, da er dieses Medium gegenüber Schriften oder Skizzen bevorzugte. Am 20. November 1890 begutachteten der Senatspräsident und die Quästoren sie in seinem Atelier, das in unmittelbarer Nähe zum Parlament, in der rue de l'Activité 29, gelegen war (seither umbenannt in rue Jacques de Lalaing; das Atelier existiert noch heute und beherbergt derzeit eine „Food & Art Gallery“).

Der Senator und Quästor Edmond Willems, Erbe der Artois-Brauereien in Löwen (und der offenbar gemeinsam mit Vicomte Vilain XIIII. die Initiative für Wahl von Jacques de Lalaing für die Gemälde ergriffen hat), macht ihm gegenüber offenbar drei Bemerkungen: Im linken Teil, der den „kommunalen Milizen“ der Schlacht der Goldenen Sporen und der Schlacht bei Roosebeke gewidmet ist, sind zu viele Pferde; im mittleren Teil sollten die Kriege Ludwigs XIV. und die spanische Periode getauscht werden, um sie wieder in der chronologischen Reihenfolge darzustellen; und schließlich wäre es zweckmäßig, die „bittere historische Wahrheit“ des zu mildern. Mit Ausnahme der letzten Bemerkung – er hatte Gelegenheit, den damaligen Premierminister, den Katholiken Auguste Beernaert, zu befragen, dessen Schwester Malerin war und der die von den Quästoren gehegten „Befürchtungen, die [das] Programm weckt“, nicht teilte – räumte De Lalaing verschiedene Anpassungen ein. Willems gab nach und das Büro des Senats genehmigt das Programm basierend auf dem Entwurf des Künstlers im Dezember 1890.

Atelier des Künstlers um 1893
Atelier des Künstlers um 1893: im Vordergrund der Gipsputz des Denkmals von Camille-Coquilhat, im Hintergrund ein Teil der linken Tafel des Sitzungssaals des Senats. Foto von der Website www.jacquesdelalaing.be

Nach einem Brief, in dem der Senat seine Besorgnis geäußert hatte, bestätigte Jacques de Lalaing Ende Januar 1893, dass er seine Vorarbeiten für die Rohfassung der drei Tafeln abgeschlossen habe, wobei er versprach, die erste Tafel bis Anfang 1894 fertigzustellen.[ 12 ] Ende September 1894 war die linke Tafel in der Tat fertiggestellt, während von den beiden anderen eine Rohfassung vorhanden war. Während Jacques de Lalaing nach Paris aufbrach, um die Kostüme für die zweite Tafel abzuholen, besuchten die Quästoren sein Atelier. Dabei entdeckten sie das Folgende.

Auf der linken Tafel: „les milices citoyennes et gens de métiers entourant les bannières des corporations et soutenant contre la chevalerie française une lutte glorieuse et à armes inégales“ („Bürgermilizen und Berufsleute, die um die Banner der Zünfte versammelt sind und sich der französischen Ritterschaft in einem ruhmreichen Kampf ohne gleiche Waffen widersetzen“), „cette lutte inégale dont la bataille de Courtrai fut l’apogée et la défaite de Rozebeke l’épilogue funeste“ („Dieser ungleiche Kampf, der in der Schlacht von Kortrijk seinen Höhepunkt erreichte und in der Niederlage von Roosebeke seinen tödlichen Ausgang fand“). Dann weiter oben: „la puissance de la maison de Bourgogne, le moment où le duc Charles (le téméraire) traine son prisonnier Louis XI devant le spectacle de l’incendie de la ville de Liège dont le roi de France avait encouragé la révolte“ („Die Macht des Hauses Burgund, der Augenblick, in dem Herzog Karl (der Kühne) seinen Gefangenen Ludwig XI. vor das Spektakel des Brandes in der Stadt Lüttich zerrte, dessen Auflehnung der König von Frankreich begünstigt hatte“).

 

Detail der mittleren Tafel des Sitzungssaals des Senats
Detail der mittleren Tafel des Sitzungssaals des Senats.
Foto © KIK-IRPA, Brussels

Auf der mittleren Tafel, die der spanischen und französischen Periode gewidmet ist, „möchte ich den Schatten des Herzogs von Alba auf die letzte Unterredung des Grafen von Egmont und des Prinzen von Oranien in Willebroeck werfen, als sie in Willebroeck die prophetischen Worte „Adieu, Prinz ohne Land, adieu, Graf ohne Kopf“ wechselten, ein Moment, der von der Solidarität der flämischen und niederländischen Bestrebungen zeugt“.

„Dann im Vordergrund die für uns dekorative und unheilvolle Periode der Kriege Ludwigs XIV. in Belgien, die den Kampf der Verbündeten Malborough und Prinz Eugen gegen den Angreifer zeigt – in den Ebenen von Ramillies und Malplaquet – im Hintergrund die Bombardierung Brüssels für den Marschall von Villeroi". „Oberhalb dieser Gruppe im Bogen sind zwei symbolische Figuren dargestellt – Geschichte und Schicksal.“

 

Rechte Tafel des Sitzungssaals des Senats
Rechte Tafel des Sitzungssaals des Senats. Foto © KIK-IRPA, Brussels

Schließlich rechts „Das Ende der österreichischen Herrschaft in Belgien – die Brabanter Revolution, die sich in der Person von Vonck und Van der Noot gegen die Regierung von Joseph II. erhebt. Dann der Einmarsch von Demouriez in Belgien, der kam, um die Flagge und die Ideen der Französischen Revolution in unserem Land gedeihen zu lassen; und schließlich der Moment, als das Erste Kaiserreich in den Ebenen von Waterloo angesichts der alliierten Bemühungen zusammenbrach. Napoleon dreht sich um und ruft Grouchy vergeblich um Hilfe“.[ 13 ]

Dieses dichte und kompakte Programm ist nicht leicht zu verstehen. Man muss die Geschichte unseres Landes genau kennen, um alle Details zu erfassen. Anlässlich der Einweihung der Tafeln im Jahr 1896 und des Besuchs der Presse wird de Lalaing gebeten, eine „kurze Mitteilung“ zu verfassen, die in 2.000 Exemplaren gedruckt werden sollte.[ 14 ]

Auch die vom Künstler für seine Gemälde gewählten Farbtöne tragen nicht dazu bei, dass ihre Deutung einfacher wird. Dennoch sind sie sehr typisch. Bei de Lalaing gilt: „Die Farbe ist oft stumpf und bleibt der Form und dem Volumen untergeordnet.“[ 15 ] Die Quästoren wissen dies. Das Postskriptum, das Vicomte Vilain XIIII. zu seiner Notiz an den Greffier des Senats vor ihrem ersten Besuch im Atelier zur Besichtigung der ersten Tafel hinzufügt, ist vielsagend: „Ich fürchte, er hat alles genauso wie im Rathaus völlig in grau gemalt.“[ 16 ] De Lalaing nimmt ihre Reaktion durch einen Appell vorweg: „Ich hoffe, dass die eher strengen Töne dieses Gemäldes den Herren keine Angst einflößen werden. Das Thema erfordert dies. Die mittlere Tafel halte ich für den Glanz frei, die der brillante Ludwig XIV beansprucht.“[ 17 ]

Ein wohltemperierter Glanz, wobei Jacques de Lalaing sich selbst treu bleibt, wenngleich die Beleuchtung am Zenit des Oberlichts in der Kuppel des Senats, die sich ursprünglich näher an den Leinwänden befand, die Farben stärker zur Geltung gebracht haben muss. Vor allem bei der Bekleidung, über die viel geforscht wurde, und bei den Satteldecken für die Pferde, bei denen die Palette wesentlich subtiler und nuancierter ist, als es auf den ersten Blick scheint. Auffällig ist auch sein Spiel mit Kontrasten durch die Verwendung von Weiß und Rot, zum Beispiel für die Figuren von Napoleon, Dumouriez und Joseph II., die auf dem Gemälde rechts in Dreiecksform verbunden werden. Im Gegensatz zur linken Tafel, wo, wie der bei der Einweihung anwesende Journalist des Journal de Bruxelles hervorhob, insbesondere für die kommunalen Milizen Folgendes gilt: „Farbe ist für ihn nichts, weder Quelle von Genuss noch Ausdrucksmittel. Seine linke Tafel ist in dieser Hinsicht nahezu außergewöhnlich. Alles ist braun, grau, schwarz und kalt. Die Banner sind grau ohne jeglichen Hauch von Farbe.“[ 18 ]

Linke Tafel des Sitzungssaals des Senats
Linke Tafel des Sitzungssaals des Senats. Foto © KIK-IRPA, Brussels

Jacques de Lalaing bedient sich zudem Himmelslichtern, um den Hintergrund seiner Leinwände zu „beleuchten“ und Kontraste wiederzugeben. Die Figuren Karls des Kühnen und Ludwigs XI. tauchen somit in der Glut des Brandes von Lüttich auf, jene von Marlborough und Eugen von Savoyen vor dem Feuerschein der Bombardierung Brüssels. Auf dem dritten Gemälde, „au fond du tableau accourent au galop, silhouettés sur le ciel saumon des bonnes batailles, les trois alliés et Blücher qui les rejoint“ („Am unteren Rand des Gemäldes sind als Silhouette gegen den lachsfarbenen Himmel der guten Schlachten die im Galopp herbeieilenden drei Allierten und Blücher, der sich ihnen anschließt, zu sehen“.[ 19 ]

Die Presse wird am Nachmittag des 11. Februar einberufen. Die Artikel sind im Allgemeinen sehr positiv, auch wenn einige meinen, dass die Symbolfiguren der Geschichte und des Schicksals sowie die schwebende Figur des Herzogs von Alba in der mittleren Tafel weniger gut gelungen seien. Alle bejubeln indessen die von de Lalaing demonstrierte Kunst des Resümierens und Komponierens (was auch an Bernard van Orley, einen anderen Brüsseler Künstler, erinnert[ 20 ]), sowie seine meisterliche Darstellung der Bewegungen von Pferden. Was in seinem Fall einer Unterschrift gleichzusetzen ist.

König Leopold II., der seinen Besuch am 11. und 19. Februar angekündigt hatte, trifft schließlich am 20. Februar 1896 nachmittags ein, um die Gemälde anzuschauen. Prinzessin Clémentine begleitet ihn.[ 21 ] Anlässlich eines Empfangs durch den Minister der Schönen Künste, Vicomte Vilain XIIII, Baron Snoy und der Präsident des Senats, t'Kint de Roodenbeke; Letzterer erklärt den Anwesenden die Symbolik der Gemälde. Die Gemälde wurden 30 Minuten lang bewundert.

  1. Archiv des Belgischen Senats, Dossier de Biefve: Bereits am 13. August 1848, während die Bauarbeiten am Beratungssaal noch im Gang waren, hatte der Senat den Minister des Innern um ein Gemälde von de Biefve gebeten, „ein Künstler, der ein besonderes Talent für die Ausführung mit der Wahl höchst nationaler Themen verband“. Wir verlieren jede Spur dieses Gemäldes von Edouard de Biefve, einem damals sehr beliebten Historienmaler, nachdem es 1896 abgehängt und durch das „Fresque historique“ („historische Fresko“) von Jacques de Lalaing ersetzt wurde. Vorbereitende Zeichnungen dieses Gemäldes sind in der Königlichen Bibliothek Belgiens (KBR), im Cabinet des Estampes (Kupferstichkabinett), aufbewahrt. Vgl. Judith Ogonovsky, „Edouard de Biefve (1808–1882), une étoile filante au sein de l’art officiel belge“, in Revue belge d'archéologie et d'histoire de l'art, Nr. 71, 2002, S. 59–88. [ zurück ]
  2. Archiv des Belgischen Senats, Dossier de Biefve, Brief von Charles Rogier, Minister des Innern, an die Quästoren des Senats, 25. März 1852 [ zurück ]
  3. Lucien Solvay, „Notice sur Edouard de Biefve, correspondant de l’Académie“, in Annuaire de l’Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, 1915–1919, S. 68. [ zurück ]
  4. Archiv des Senats, Dossier de Biefve, Brief des Präsidenten des Senats, des Fürsten von Ligne, an den Minister des Innern, 14. November 1876. [ zurück ]
  5. Die Porträts sollen dann im Kabinett des Ministers der Finanzen (Nr. 11, rue de la Loi?) aufgehängt worden sein. [ zurück ]
  6. Belgischer Senat, Dossier de Lalaing, Brief des Präsidenten des Senats, Graf von Merode-Westerloo, an Jacques de Lalaing, 18. März 1890. [ zurück ]
  7. Charles Lagasse de Locht in Bulletin des Commissions royales d’Art et d’Archéologie, Rede in der Sitzung vom 13. Oktober 1917, anlässlich des Todes des Künstlers. Zitiert von Catherine Leclercq, Jacques de Lalaing, artiste et homme du monde (1558–1917), Fachbereich der Schönen Künste, Königliche Akademie Belgiens, Brüssel, 2006, S. 37. [ zurück ]
  8. Das Porträt von Henri de Merode-Westerloo befindet sich im Senat, während das Porträt von Georges Dupret weiterhin in Familienbesitz ist. Vielen Dank an Thierry Scaillet für den Hinweis auf dieses letzte Porträt. Siehe diesbezüglich: Thierry Scaillet und Dorothée Schneider, Histoire de la famille Dupret, 17e-20e siècles. En affaires et en politique, de Ath à Bruxelles, Brüssel, 2019. [ zurück ]
  9. C. Leclerq, Jacques de Lalaing, artiste et homme du monde (1558-1917), Fachbereich der Schönen Künste, Königliche Akademie Belgiens, Brüssel, 2006, S. 49: „Loin d'être un artiste contestataire, il adopte les formes classiques et solennelles qui font référence à une certaine pérennité esthétique qui inscrivent l'œuvre dans une continuité apte à revivifier la mémoire et à renforcer une identité historique.“ [ zurück ]
  10. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, Brief von Jacques de Lalaing an den Baron Oscar Pycke de Peteghem, 18. Februar 1890: „Votre question de ce matin m'a remis dans le même embarras que jadis quand le Bourgmestre de Bruxelles m'a demandé d'estimer le travail que je dois exécuter à l'Hôtel de Ville. Je vous répondrai, comme à lui, que je n'ai aucune base d'appréciation, le chiffre que j'indiquerai serait donc arbitraire, que je me sens à ce sujet dans la situation de celui qui vend la peau d'un ours qui court encore. Je m'en rapporte donc à l'appréciation de la Questure ou de l'expert que ces messieurs voudront bien désigner, en m'engageant à accepter la décision qui en résultera.“ [ zurück ]
  11. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, nicht datierter Brief, wahrscheinlich aus dem Sommer 1890 von Jacques de Lalaing an einen „Herren“, vermutlich E. Willems. [ zurück ]
  12. Die lange Dauer bis zur Fertigstellung ist durch die Nachforschungen zu erklären, die Jacques de Lalaing anstellen musste, aber auch durch parallele Arbeiten: Fresken im Brüsseler Rathaus, das Coquilhat-Denkmal, Porträts usw. Darüber hinaus wurden in den Jahren 1884–85 Projekte zur Erweiterung des Sitzungssaals erwogen und untersucht, um der steigenden Zahl der Senatoren Rechnung zu tragen. Letztere könnten einen Einfluss auf die Maße von de Lalaings Gemälden gehabt haben. Er warnte diesbezüglich die Quästoren, aber die Arbeiten verzögern sich schließlich bis 1902–1904. Damals war es nämlich gang und gäbe, die mit Bleiweiß aufgezogenen Leinwände zu trennen und zu ersetzen, wobei sich die mittlere Leinwand im Verhältnis zu den beiden anderen nun weiter hinten befand als ursprünglich vom Künstler beabsichtigt. [ zurück ]
  13. Programm von 1890 und Erläuterung von de Lalaing aus dem Jahr 1896. [ zurück ]
  14. Die Leinwände wurden von Charles Léon Cardon an den Wänden des Senats mit Bleiweiß aufgezogen (Angebot vom 27. Dezember 1895). AGR, Ministère des Travaux publics, Bâtiments publics (AGR, Ministerium der Öffentlichen Arbeiten, Öffentliche Gebäude), Dossier 70. [ zurück ]
  15. C. Leclercq, op. cit., S. 22. [ zurück ]
  16. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, Brief von Vilain XIIII an den Greffier (Warnant), 4. Dezember 1894. [ zurück ]
  17. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, Brief von J. de Lalaing an den Vicomte Vilain XIIII, um Ende September 1894. [ zurück ]
  18. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, „Les peintures de M. de Lalaing au Sénat“ („Die Gemälde von Herrn de Lalaing im Senat“), in Le Journal de Bruxelles, Brüssel, 23. Februar 1896. [ zurück ]
  19. Archiv des Senats, Dossier de Lalaing, „Les peintures du Sénat“ („Die Gemälde des Senats“), in La Réforme, 12. Februar 1896. [ zurück ]
  20. Die persönlichen Tagebücher von Jacques de Lalaing sind zum Teil erhalten. Dort mangelt es nicht an Ausdrücken im Brüsseler Dialekt „drache“ (prasselnder Regen), „stoefer“ (Prahler), „duive kot“ (Taubenschlag), „moi, j’ai le flauw“ (ich fühle mich schwach), „zwanze“ (Schwafelei). Catherine Leclercq vermerkt sie in ihrer Monografie. [ zurück ]
  21. Le Journal de Bruxelles, 20. Februar 1896, S. 1. L'Indépendance belge, 21. Februar 1896, S. 1. [ zurück ]